Düsseldorf - Tourismus-Boom nach Corona-Flaute: Nordrhein-Westfalen verzeichnete im ersten Halbjahr des Jahres rund 20,5 Mio. Übernachtungen von Gästen aus dem In- und Ausland – 157 Prozent mehr als in der ersten Jahreshälfte 2021. Im vergangenen Jahr galt zum Teil noch ein Beherbergungsverbot bei Privatreisen, das als „Tourismus-Bremse“ gewirkt hat.
Diese Bilanz geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes hevor. „Dass wieder viel mehr Urlauber und Geschäftsreisende in den Kreis Unna kommen, ist für das Hotel- und Gaststättengewerbe eine gute Nachricht – vor allem auch für die Beschäftigten. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie kehrt die Branche Stück für Stück auf das alte Niveau zurück“, sagt Isabell Mura, stellvertretende Landesbezirksvorsitzende der NGG.NRW. Von der „Normalität“ sind aber viele Hotels, Pensionen und Restaurants noch weit entfernt. Der Grund: Den Unternehmen gelingt es nach kaum, genug Personal für die wachsende Arbeit zu finden.
Zwar haben derzeit viele Branchen mit dem Mangel an Fachleuten zu kämpfen, doch im Gastgewerbe fällt die Suche nach qualifizierten Kräften besonders schwer. Das liegt vor allem an den Arbeitsbedingungen. So klagen im aktuellen Ausbildungsreport des DGB NRW 80 Prozent der angehenden Hotelfachleute und 60 Prozent der Azubis in der Küche, regelmäßig Überstunden machen zu müssen – ein Spitzenwert. „Wer im Gastgewerbe arbeitet, ist nicht nur spätabends oder am Wochenende im Einsatz. Die Beschäftigten erfahren oft auch erst am Vortag vom Chef, dass sie einspringen sollen. Zum Beispiel, weil sich die Wettervorhersage geändert hat und einen Run auf den Biergarten erwarten lässt. So kann aber niemand seinen Alltag planen – schon gar nicht, wer Kinder hat“, so Mura. Nach Einschätzung der NGG ist ein erheblicher Teil der rund 270.400 Menschen, die das Gastgewerbe in NRW laut Arbeitsagentur beschäftigt, von dieser „Arbeit auf Abruf“ betroffen.
Wer sich für die Branche entscheidet, weiß, dass die Arbeitszeiten anders sind als in einem Büro-Job. „Wichtig ist zugleich eine Personaldecke, die dick genug ist, um auch kurzfristig Events wie Geburtstage oder Hochzeiten ausrichten zu können“, betont Isabell Mura. Um Arbeitszeit und Dienstplanung fair zu regeln, sollten sich die Betriebe zu tariflichen Standards bekennen. Dort, wo es einen Betriebsrat gibt – etwa in Hotelketten oder in der Systemgastronomie – könnten sozialverträgliche Lösungen mit der Arbeitnehmervertretung gefunden werden.
In einem entscheidenden Punkt sind Hotels und Gaststätten als Arbeitgeber bereits attraktiver geworden: Die Löhne in der Branche sind nach dem aktuellen Tarifvertrag für Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr um bis zu 28 Prozent gestiegen. Isabell Mura: „Das ist ein enormer Schub fürs Portemonnaie der Beschäftigten. Jetzt kommt es darauf an, dass die Firmen den Tariflohn auch zahlen – und bei den Arbeitsbedingungen nachlegen.“
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