25.11.2020. Eine Studie des DGB NRW macht deutlich: Wie in kaum einer anderen Branche müssen die Beschäftigten im Gastgewerbe mit Niedriglöhnen auskommen. Der Niedriglohnreport ist eine umfassende Bestandsaufnahme zum Niedriglohnsektor in NRW. Das Gastgewerbe ist nicht nur trauriger Spitzenreiter in NRW. Mit 68% ist die Zahl der von Armutslöhnen betroffenen Menschen in NRW sogar höher als im Durchschnitt der westlichen Bundesländer.
„Die Studie belegt, was wir schon oft beschrieben haben: Die Menschen, die in der Gastronomie arbeiten, können sich das Essen, welches sie für den Gast zubereiten, oft selbst nicht leisten. Sie müssen sich trotz dreijähriger Ausbildung mit dem Niedriglohn begnügen", erklärt Mohamed Boudih, Vorsitzender der NGG.NRW. Die Ursachen seien vielschichtig. Es fange bei den Gästen an: "Erst wenn wir alle bereit sind, für gutes Essen einen angemessenen Preis zu bezahlen, können Gastronomen auskömmliche Löhne bezahlen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Branche zehn sehr gute Jahre hinter sich hat. Die Studie zeigt, dass trotz vielfach gestiegener Gewinne die Armut unter den Beschäftigten nicht geringer geworden ist, weil der Profit nicht an die Beschäftigten weitergegeben wurde. Für diese Kurzsichtigkeit bezahlt die Branche einen hohen Preis: Viele qualifizierte Fachkräfte kehren dem Gastgewerbe den Rücken. Das zeigt sich nicht zuletzt an den sinkenden Ausbildungszahlen. Selbst im ungelernten Bereich ist es vielen Betrieben zuletzt schwergefallen, Arbeitskräfte zu finden. Die Unternehmen müssen mehr für ihre Branche tun, um diesen Trend zu stoppen. Ein erster wichtiger Schritt: Armutsfeste Löhne“, so Boudih.
Der Niedriglohnreport macht aber insgesamt deutlich: Die Lage vieler Beschäftigter ist dramatisch – und es besteht dringender Handlungsbedarf. Das Risiko, zu Niedriglöhnen, also unter 11,21€ die Stunde, zu arbeiten, ist in NRW mittlerweile höher als im westdeutschen Vergleich. 2018 waren in NRW rund 1,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor tätig, das entspricht 22,8 Prozent der Beschäftigten in NRW. Auch wenn das Niedriglohnrisiko stark durch die Branche geprägt ist, fällt auf, dass insbesondere Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund ein höheres Niedriglohnrisiko haben. Auch Geringqualifizierte sind überdurchschnittlich häufig betroffen – rund 44 Prozent der Beschäftigten ohne Berufsausbildung arbeiten unter der Niedriglohngrenze. Das zeigt, wie wichtig eine gute berufliche Qualifizierung ist.
Jetzt muss dringend gegengesteuert werden – und das effektivste Mittel dafür sind Tarifverträge. Sie haben über alle Branchen hinweg einen großen Einfluss, wie unsere Studie zeigt: 2018 hatten in NRW 31 Prozent der Beschäftigten ohne Tarifvertrag einen Niedriglohn – gegenüber nur elf Prozent der Beschäftigten mit Tarifvertrag. Der Auftrag an die Politik ist deutlich: Tarifverträge müssen leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können, damit möglichst viele Menschen tatsächlich von ihrer Arbeit leben können und sie der Niedriglohn nicht direkt ins Jobcenter führt. Um die Tarifbindung zu verbessern, muss auch die Vergabe öffentlicher Aufträge als Hebel genutzt werden. Es ist nicht zu tolerieren, dass die öffentliche Hand Aufträge an Unternehmen vergibt, die keine Tarifverträge anwenden.
Niedriglohn-Studie DGB NRW
Der Niederiglohnreport untersucht erstmals den Niedriglohnsektor in Nordrhein-Westfalen. Die Studie wurde unter Leitung von Dr. Claudia Weinkopf (Institut Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen) im Auftrag des DGB NRW durchgeführt. Wenn du die Studie komplett lesen möchtest, kannst du sie hier herunterladen.
PDF-Dokument
36 Seiten, A4
Willst du ein gedrucktes Exemplar der Studie? Dann schreib uns eine Nachricht an NRW@ngg.net. Wir schicken dir den Report gern per Post zu (solange der Vorrat reicht).