Wenn der Kollege Computer übernimmt: Der digitale Umbruch in der Arbeitswelt könnte in Nordrhein-Westfalen Tausende Jobs kosten. Laut einer Regionalstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sind 26 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze an Rhein und Ruhr in hohem Maße durch die Digitalisierung bedroht. Bei diesen Stellen könnten bereits heute ein großer Teil aller Tätigkeiten von computergesteuerten Maschinen erledigt werden. Aber: Grundsätzlich könne die Digitalisierung jedoch sowohl zur Aufwertung von Berufen führen als auch zu deren Abbau, so die Forscher.
Das sind zwar alarmierende Zahlen. Aber Schwarzmalerei ist nicht angebracht. Vom Homeoffice bis zur Videokonferenz: Corona hat dem digitalen Wandel der Arbeitswelt einen zusätzlichen Schub gegeben. Ob Computer tatsächlich so viele Jobs ersetzen, das liegt auch an den Unternehmen und den Beschäftigten. Dort, wo Mitarbeiter für die digitale Zukunft fit gemacht werden, kann die Industrie 4.0 eine große Chance sein“, sagt Isabell Mura, stellvertretende Vorsitzende der NGG.NRW. Nötig ist jedoch eine Qualifikationsoffensive. Wer seine Mitarbeiter jetzt nicht fortbildet, verschläft die Veränderungen in der Arbeitswelt. „Dabei sollten auch die Betriebsräte ein Wort mitreden. Sie wissen, wo der Bedarf in der Firma am größten ist.“
Das zeige sich etwa an der Ernährungsindustrie – mit mehr als 149.000 Beschäftigten ein „wichtiger Wirtschaftsfaktor“ im bevölkerungsreichsten Bundesland. Isabell Mura: „In der Branche kümmern sich Arbeitnehmervertreter seit Jahren darum, dass Automatisierung und Digitalisierung nicht zulasten der Mitarbeiter gehen. In der Pandemie handeln sie Regeln aus, damit die Heimarbeit etwa in Verwaltungsjobs die Menschen nicht rund um die Uhr belastet.“ Viele Beschäftigte, die früher am Fließband standen, arbeiteten heute in der Qualitätskontrolle. Und Lagerlogistiker bauten auf die Unterstützung von vernetzten Computern, die Zutaten automatisch dann bestellen, wenn sie zur Neige gehen.
Nach Angaben des IAB hat die Digitalisierung in den letzten Jahren deutlich an Fahrt gewonnen: Allein zwischen 2013 und 2016 stieg der Anteil der Arbeitsplätze, die potentiell zu einem Großteil durch Maschinen ersetzbar sind, bundesweit von 15 auf 25 Prozent. Berufe in der Fertigung sind demnach besonders betroffen.
Doch wie dramatisch die Folgen tatsächlich sind, das hängt laut IAB nicht nur von den Unternehmen und den Beschäftigten ab. „So wird es weiterhin Handwerksbäckereien geben, wenn Verbraucher ein handgebackenes Brot mehr wertschätzen als ein maschinell gefertigtes“, schreiben die Forscher.